Gerade noch Herbstmeister: Bayern zufrieden statt überlegen

Der FC Bayern München freundet sich auffällig widerstandslos mit dem Ergebnisfußball alter Schule an. In Berlin wurde ein 0:0 gegen zum guten Kick hochgejazzt.

Trotz Weltklassespielern wie Ribery - haushoch überlegen sind die Bayern nicht. Bild: dpa

Bei Bayern München liegt der Vergleich zum Theater nahe. Denn vieles dort wirkt inszeniert. Und so erinnerte Uli Hoeneß Auftritt am Samstag in Berlin an den Oberlehrer Kulygin aus Anton Tschechows Drama "Drei Schwestern". Kulygin hat in diesem Stück nämlich nicht viel mehr zu sagen als: "Ich bin zufrieden. Ich bin zufrieden. Ich bin zufrieden." Dementsprechend lief auch Hoeneß nach Spielende von Kamera zu Kamera, um überall mitzuteilen, dass er zufrieden sei. Das wirkte recht überspannt. Schließlich hatte der Meisterschaftsfavorit bei den seit Wochen sieglosen und mit Minderwertigkeitskomplexen beladenen Herthanern lediglich 0:0 gespielt und manche Chance zum Siegtreffer fahrlässig vergeben. Genauso trost- und torlos fiel bereits die Partie vergangene Woche gegen den Abstiegskandidaten Duisburg aus.

Doch all dies focht Hoeneß angeblich nicht an. Er wollte sich die knapp vor Werder Bremen errungene Herbstmeisterschaft nicht madig machen lassen: "Man sollte aufhören, ewig das Haar in der Suppe zu suchen. Wir sind Herbstmeister und haben unser erstes Ziel erreicht." Hoeneß vermutete mal wieder Sabotage. Die Medien, lautete sein Vorwurf, würden versuchen, Unruhe in den Verein zu tragen. Es sei nicht wahr, dass man schon mit anderen Trainern gesprochen habe, ob sie die Nachfolge von Ottmar Hitzfeld antreten würden.

Zu Beginn der Saison war das Leben der Bayern noch so unbeschwert. Mit gut 72 Millionen Euro hatte der Verein sein Festgeldkonto geplündert, um "Weltstars" zu holen. Klose, Ribery, Toni spielten dann auch sofort groß auf. Nach drei Partien lautete die Bilanz: 10 Tore, kein Gegentreffer, darunter das spektakuläre 4:0 beim Rivalen Bremen.

Der Erfolg schien käuflich. Die Konkurrenz stellte sich schon verängstigt die Frage, wie es erst sein würde, wenn das kostspielige und neu zusammengewürfelte Ensemble seine Abstimmung noch verfeinern sollte. Die Führungsetage der Bayern hingegen lehnte sich beruhigt zurück. Der Mehrwert des Teams spiegelte sich auf dem Platz wieder. Damals herrschte der Eindruck vor, die Münchner würden künftig nur noch von Luxusproblemen geplagt werden. Hoeneß etwa zettelte die Debatte an, wie seine Kostbarkeiten auf dem Platz besser von den Schiedsrichtern geschützt werden könnten.

Doch der anfängliche Höhenrausch verflog rasch, und es zeigte sich in den letzten Monaten, welche Bürde das millionenschwere Projekt für den Verein ist. Die Verantwortlichen und Spieler sind hypernervös. Kaum zeigte die Formkurve des Teams ein wenig nach unten, da griff der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge Hitzfeld wegen seines seit Jahren gepflegten Rotationsprinzips an. Hoeneß legte sich wenig später mit unzufriedenen Fans an, und Kahn kritisierte letzte Woche die bis dahin sakrosankten Neuverpflichtungen Ribery und Tony. Mit Blick auf seine Spieler sagte Hitzfeld zuletzt: "Wir müssen das unterbinden, sonst haben wir ein Irrenhaus." Die Hinrunde der Bayern verdeutlicht recht gut, wie schmal der Grat zwischen Genie und Wahnsinn ist.

Manager Hoeneß sehnt sich nun nach einer neuen Bescheidenheit. An seine im Rückblick schier wahnsinnige Zielvorgabe vom Sommer kann er sich wahrscheinlich nicht mehr erinnern. Damals forderte er ein, dass Team müsse so spielen, dass die Konkurrenten künftig das Fernrohr benötigen, um die an der Spitze stehenden Bayern zu erblicken. Jetzt ist Hoeneß also mit weniger zufrieden. Doch eines musste der Bayern-Manager dann doch noch loswerden. Hertha hätte sich in der ersten Halbzeit nur hinten reingestellt. In der Liga sei man wohl zum Schluss gekommen, dass man anders keine Chance gegen die Bayern hätte. "Wenn das die Zukunft der Bundesliga ist, dann gute Nacht."

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